Samstag, 5. April 2014

F1 - Segen und Fluch

F1- Damit ist nicht die Taste auf der Computertastatur gemeint und auch nicht die Formel Eins. Es geht vielmehr um Saatgut, das mit dieser Bezeichnung versehen ist. Ich habe mich schon oft gefragt, was "F1" bedeutet:

Ist es etwas Gutes oder Schlechtes und was soll der Balkongärtner damit anfangen?

F1-Hybriden sind soviel wie "Mischlinge der ersten Generation". Dies sind Pflanzen, die aus zwei verschiedenen Sorten bzw. Arten von Pflanzen gezüchtet wurden. Sie sind meist wiederstandsfähiger und ertragreicher als es die Mutter- und Vaterpflanzen noch waren. Eine F1 Hybridtomate hat z.B. bestimmte Resistenzen gegen Krankheiten oder Schädlinge und verspricht MEHR und vor allen Dingen GLEICHE Früchte. F1-Hybriden werden bevorzugt in der Massenproduktion verwendet. Bis zu 80% der Tomaten-, Brokkoli- und Rosenkohlsorten werden mittlerweile von Hybriden geerntet. Bei Mais oder Getreide verdoppelt sich die Ernte sogar im Vergleich zu den reinerbigen Elternpflanzen. Das ist enorm, oder? Man kann also schon fast davon ausgehen, dass gekaufte Früchte dieser Gemüsesorten von F1-Pflanzen geerntet wurden.
Auch in der Tierwelt gibt es mittlerweile sogar sogenannte Hybridhühner, die besonders viel Brustfleisch ansetzten. Das ganze nennt sich Heterosiseffekt: Mischlinge haben bestimmte, stärker ausgeprägte Merkmale.





Jetzt könnte man sagen: "Ja, na und? Auf dem Balkon habe ich eh nicht so viel Platz, eher schlechtere Bedingungen als in einem Gewächshaus und ich möchte viel Ernte, warum nicht zur F1-Hybride greifen?"

Im Grunde genommen ist die Überlegung richtig. Das Prinzip der Hybriden ist ein einfaches, altes Züchtungsprinzip. Auch bei Pflanzen wurde das Prinzip schon lange angewendet, warum sollte man es sich selber nicht zunutze machen?

F1-Hybriden haben eine großen, pragmatischen Nachteil: Man kann ihr Saatgut nicht weiter verwenden, d.h. das Saatgut ist nicht saatfest. Gewinnt man aus den Früchten von F1-Hybriden Saatgut und pflanzt es ein, wächst daraus eine andere Pflanze mit ganz anderen Eigenschaften. Diese F2-Hybride (der "Mischling zweiter Generation") würde wieder Merkmale der Eltern zeigen und besitzt nicht mehr die supertollen F1-Hybriden-Merkmale auf die wir so scharf sind. Einige Saat keimt sogar gar nicht. Wer also mit dem Saatgut seiner Pflanzen im nächsten Jahr weiterarbeiten möchte und sicherstellen möchte, dass es sich in der zweiten Generation noch um die gleiche Sorte handelt, der sollte keine F1-Hybriden kaufen, sondern zu sogenannten "saatfesten" Sorten greifen.



F1-Hybriden überschwemmen mittlerweile die Gewächshäuser und lassen gleiches Gemüse wachsen, das in ein bestimmtes, festgelegtes Schema passt. Alles andere, das krumm ist oder zu klein oder zu bunt oder zu blass wird aussortiert und ausgemustert. Ich finde, dass es im Endeffekt eine Frage des Gewissens ist: Möchte man einheitliches, hochgezüchtetes, gleichgemachtes Supergemüse oder bunte Vielfalt, die sich zuverlässig weitervermehren lässt.

Ich selbst habe dieses Jahr F1-Gurkensamen gekauft. Hätte ich mich eher mit dem Thema auseinandergesetzt, hätte ich es wahrscheinlich nicht getan und eher zu Samen einer anderen Gurke gegriffen, z.B. von der Arche Noah, eine Gesellschaft, die gefährdete Kulturpflanzen erhält und seltenes Saatgut vertreibt. Außerdem habe ich aus Tomaten vom Markt und aus dem Supermarkt Samen gesammelt. Was aus den Samen dieser Tomaten wird, kann ich bisher nicht sagen. Gekeimt sind sie, aber es ist wie das Russisches Roulette. Es könnte sein, dass die Pflanzen gar keine Früchte entwickeln, oder besonders große oder aber Früchte mit einer anderen Farbe. Ich hoffe nur, dass ich eine Sorten erwischt habe, die nicht zu den 80% Hybridtomaten zählt, die es bisher auf dem Markt gibt. Dass ich Tomatensamen nicht einfach einpflanzen kann, finde ich befremdlich und hinterlässt bei mir auf jeden Fall einen bitteren Nachgeschmack.



Komisch ist es schon. F1-Hybriden sind soviel wie steriles Superleistergemüse aus einer Science-Fiction-Version, in der wir alle schon leben. Nur ahnen wir nichts davon.




2 Kommentare:

  1. Ist ja interessant. Und auch beängstigend, wie ich finde. Steht das auf den Saatguttütchen vermerkt, dass es F1-Saatgut ist?

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    1. Hallo Sandra,

      ja, das steht immer drauf vermerkt. Leider steht es aber nicht bei den Supermarkttomaten oder Tomaten, die man zum Essen kauft. Dann wüsste man, von welcher man Saatgut entnehmen könnte und von welcher nicht :)

      Liebe Grüße
      Anette

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